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Rentner contra Kleinkinder: „Sie haben ein schreckliches Kind“

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rentner_by_Ilka Plassmeier_pixelio.de

Die Alten von heute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Laut, rücksichtslos, keine Kinderstube. Meistens haben sie es auch furchtbar eilig, die nächste Kreuzfahrt will ja gebucht werden. Da bleibt oft wenig Geduld mit der jungen Generation. Das sind überigens diejenigen, die ihre Renten mal irgendwann erwirtschaften werden. Meine heutige Gastautorin Indra Musiol hatte eine besonders unangenehme Begebenheit aus dem Berliner Südwesten für uns aufgeschrieben:

Ein Traum, dieses Berlin-Zehlendorf. Wälder, Seen, schöne Häuser, man weiß ja vor Schönheit nicht wohin. Doch die Idylle trügt, manchmal. Beherzt federe ich tagtäglich mit meinem norddeutsche Gemüt aus dem Haus, um den Berliner Knautschgesichtern ein beherztes „Guten Morgen“ entgegenzuschleudern. „Lass dich nicht einschüchtern, ist nicht so gemeint, hat was mit Schnauze zu tun,“ ist mein tägliches Mantra, wenn meine dumm-naive Freundlichkeit mal wieder mit voller Wucht abprallt und mich an der Stirn trifft. Mann, mann, mann. Was ist denn so schlimm am Nettsein, ihr Berliner? Am Höflichsein, an einem Lächeln, einem „aber gerne“, „tut mir Leid“, „Entschuldigen Sie, kann ich helfen?“

Er singt doch nur

Irgendwie stehe ich immer im Weg („Gehen Sie da weg!“). Oder ich habe die falschen Kinder dabei (siehe unten). Oder ich bin zu langsam, weshalb der Busfahrer noch ganz schnell die Tür zumacht. Was soll’s. Wenn ich mich mal wieder richtig in meinem Elend suhlen will, fahre ich zu einem großen Supermarkt an der Görzallee. Mein persönliches „SchlechteLaune-zum Anfassen“-Mekka. Die meisten Menschen dort sind unfassbar schlecht gelaunt. Ich behaupte, es gibt auf der ganzen Welt nirgends so viele schlecht gelaunte Menschen, die Einkaufswagen eine Rampe hochschieben, wie hier. Die Kassiererinnen sind hier explizit ausgenommen! Ist aber groß und günstig, und ich bekomme das, was ich benötige, sogar einen Parkplatz.

Also rein da. Das Dumme an der Sache ist: Ich habe mein Kind dabei. Es ist 3 (oh Gott!) und zu allem Überfluss ein Junge. Jungs haben die Angewohnheit, manchmal „Pups“ zu sagen.In der Öffentlichkeit. Heute sagt mein Sohn nicht Pups oder Kacka. Schlimmer. Er singt. Im Supermarkt neben der Marmelade. Dabei tippelt er um den Einkaufswagen und sagt „Ich tanze doch nur“, als ich ihn bitte, das zu unterlassen. Ich werde ein bisschen energischer, weil mir die Blicke der anderen Kundinnen, muffig und jenseits der 60, ein klares Signal senden. Aber das Kind hat gute Laune und singt ein bisschen lauter und zwar „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“.

„Aber nicht in einem Supermarkt!“

Von rechts sehe ich sie schon kommen, aus dem Gang mit dem Klopapier: ein grimmig dreinschauende Seniorin. Hört meinen Sohn. Steht. Starrt. Steuert auf mich zu. Nee, denke ich, bitte, bitte nicht. Tu dich auf, Boden. Doch Kaufland ist gnadenlos. „Sie haben ja ein schreckliches Kind“, blökt die recht voluminöse Erscheinung. Hektisches inneres Kramen nach hanseatischer Contenance. „Bestimmt ADHS?“, schiebt sie nach, meine geistige Bewusstlosigkeit ausnutzend. Ich: „Er singt doch nur.“ Frau: „Aber nicht in einem Supermarkt!“Empört rufe ich meine Schwester in Hamburg an. „Und, was haste gesagt“, fragt sie. Weiß nicht mehr, lüge ich. Was hätte man denn auf „Sie haben ja ein schreckliches Kind“ antworten sollen? „Sie haben aber ein schreckliches Gesicht wäre angemessen gewesen“, sagt sie, bevor sie auflegt.Schwestern sind Gold wert.

Eine Woche später verliere ich meinen grässlichen Sohn bei Aldi in der Hamburger Schanze. Als ich um die Ecke biege, höre ich jemanden laut lachen. Mein Sohn hat an der Kasse eine Tüte Erdnussflips aufs Warenband gelegt und bequatscht den Kassierer lauthals, ihn ohne Geld damit ziehen zu lassen. Der Kassierer schäkert ein bisschen mit ihm und zieht dann diplomatisch die Packung wieder ein. Zwei Kundinnen warten
geduldig. Geht doch. Bestimmt auch in Berlin. Ach, Berlin.

Die Autorin ist Unternehmerin, Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Berlin-Zehlendorf. Der Text erschien auch auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Foto: Ilka Plassmeier/Pixelio

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